Der Countdown läuft: Am 16. Mai wird die Bundesliga wieder angepfiffen. Aufgrund des Coronavirus allerdings unter besonderen Voraussetzung. Wir haben mit Olaf Thon über das Szenario gesprochen und darüber, was der dichte Spielplan für die Teams bedeutet.
Nach 9 Wochen Pause startet die Bundesliga jetzt wieder durch. Allerdings mit Geisterspielen und strengen Auflagen. Herr Thon, was halten Sie davon. Ist es die richtige Entscheidung, die Saison ohne Zuseher zu Ende zu spielen?
Wir alle wissen, dass unser geliebter Fußball von den Emotionen auf den Zuschauerrängen lebt. Die Fan-Szene in der Bundesliga ist besonders ausgeprägt. Fußball ohne Fans wird eine ganz neue Erfahrung werden, die wir hoffentlich nach einem überschaubaren Zeitraum hinter uns lassen können. Die Entscheidung die Bundesliga in Form von Geisterspielen fortzusetzen und zu beenden, ist für alle Klubs der 1. und 2. Bundesliga existentiell wichtig. Stichwort TV-Gelder. Und daher für das Überleben vieler Vereine alternativlos. Auch, wenn wir uns alle etwas anderes gewünscht hätten.
In welcher körperlichen Verfassung befinden sich die Spieler nach der langen Zeit des Heimtrainings?
Über modernste Techniken und Cybertraining hat jeder Verein die bestmöglichsten Voraussetzungen geschaffen, individuell zu trainieren. Die Trainingspläne bestehend aus Laufeinheiten und funktionalem Training zuhause sind für jeden Spieler maßgeschneidert zusammengestellt worden. Die körperliche Verfassung der Spieler wird in meinen Augen weniger das Problem sein. Vielmehr fehlten in den vergangenen Wochen das individualtaktische und teamtaktische Training, sowie das Zweikampfverhalten in den Trainingseinheiten. Es ist eine große Herausforderung für alle Mannschaften, in den Wettkampfmodus zurückzukehren.
Kann im Kleingruppentraining überhaupt eine ideale Vorbereitung erfolgen?
Ideal ist die aktuelle Situation für keine Mannschaft. Jeder Trainer wünscht sich natürlich, sein Training so zu gestalten, wie vor der Corona-Krise. Das ist ganz klar. Aber die Bedingungen sind für alle die gleichen.
Die Vorgaben der Politik und der DFL müssen eingehalten werden. Es wird sich zeigen, welcher Verein diese Aufgabe am besten gemeistert hat.
Zum Wiederanpfiff steht mit dem Revierderby ein echter Kracher auf dem Programm. Ohne die Unterstützung der Fans gibt es allerdings keinen Heimvorteil. Könnte dies spielentscheidend sein – generell und vor allem bei derartigen Schlagerspielen?
An das Derby ohne Zuschauer zu denken, bereitet mir keine Freude.
Besonders in einem so emotionalen Spiel wie dem Revierderby können Fans in der Arena das Zünglein an der Waage sein. Der Support aus den Blöcken kann ungeahnte Kräfte und auch Selbstbewusstsein der Spieler hervorrufen. An das Derby ohne Zuschauer zu denken, bereitet mir keine Freude. Es wird kein Derby sein, wie wir es kennen und lieben. Dennoch bleibt es am Ende des Tages immer ein sportlicher Wettkampf zwischen zwei Mannschaften. Und auch ohne Fans im Rücken wissen beide Mannschaften um die Bedeutung dieses Spiels in der Region. Sobald der Termin für das Derby feststeht, wird es kaum andere Themen im Vorfeld geben.
Die Saison wird jetzt mit englischen Wochen beendet. Haben alle Spieler die Kraft, dies durchzuhalten?
Vor einer Saison wird viel über die Breite eines Kaders gesprochen. Spätestens in so einer Phase der Saison mit vielen englischen Wochen ist es besonders wichtig, einen ausgewogenen breiten Kader zu haben. Viele verletzte Spieler, die den Klubs in den vergangenen Wochen gefehlt haben, konnten die Saisonunterbrechung nutzen und kehren vielleicht doch noch im Laufe der letzten Spieltage zurück.
Die Trainer sind gefragt, durch individuelle Belastungssteuerung die Leistungsfähigkeit der Spieler über einen langen Zeitraum hochzuhalten. Ich bin aber der Meinung, dass es schöner ist, alle drei bis vier Tage Fußball zu spielen, als sechs Tage nur zu trainieren.
Bei diesem Zeitplan scheint eine Fortsetzung der internationalen Bewerbe parallel zu den Ligen unwahrscheinlich. Wann und wie könnte es in Champions League und Europa League weitergehen? Was bedeutet dies für die Belastung der noch vertretenen Vereine?
Durch die Unterbrechung der nationalen Ligen und den internationalen Wettbewerben steht die UEFA genauso vor einer großen Herausforderung wie die einzelnen Landesverbände. Aleksander Ceferin, UEFA-Präsident, hatte zuletzt betont, dass Champions League und Europa League spätestens im August beendet sein müssen. K.O.-Spiele im September oder gar Oktober sind nicht möglich. Jeder ist sich dieser Ausnahmesituation bewusst. Und es wird an Szenarien gearbeitet, die Wettbewerbe im Einklang mit den nationalen Ligen zu Ende zu spielen. Wesentlicher Parameter in diesen Szenarien wird auch die Belastung der verbliebenen Vereine und Spieler sein. Es muss gemeinsam ein Weg gefunden werden, der für alle Beteiligten sinnvoll und machbar ist.
Wer ist für Sie der Titelkandidat Nummer 1?
Die lange Unterbrechung könnte die Tabelle deutlich durcheinander wirbeln. Es fühlt sich mehr wie ein Neustart, als eine Fortsetzung an. Ich kann mir gut vorstellen, dass es an den ersten Spieltagen nach der Unterbrechung einige überraschende Ergebnisse geben wird.
Nichts desto trotz wird die Meisterschaft zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund entschieden. Ich hoffe, dass mit RB Leipzig noch eine dritte Mannschaft lange mithalten kann. Deutschland wünscht sich mal wieder einen anderen Meister als die Bayern.
Und für wen geht’s gegen den Abstieg?
Aktuell stehen Paderborn und Werder Bremen auf den direkten Abstiegsplätzen und Fortuna Düsseldorf auf Relegationsplatz 16. Vor Corona waren Paderborn und Bremen sicher geglaubte Absteiger.
Und gerade diese beiden Teams müssen ihren Rückstand erstmal wett machen. Es sind bereits acht beziehungsweise zehn Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz. Zwischen Tabellenplatz 12 und 16 liegen auch nur sechs Punkte. Eine Abstiegsprognose fällt mir zum jetzigen Zeitpunkt schwer. Hier müssen die ersten Spieltage nach der Unterbrechung abgewartet werden.
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