Die Welt befindet sich in einer Ausnahmesituation. Davon betroffen ist auch fast der gesamte Sport. Olaf Thon über die Verschiebung der Fußball-Europameisteraschaft und was der aktuelle Stillstand für den Fußball bedeutet.
Herr Thon, die die UEFA hat am Dienstag die Fußball-Europameisterschaft auf nächstes Jahr verschoben. Die richtige Entscheidung?
Diese Entscheidung war völlig richtig und alternativlos. Die Gesundheit der Bevölkerung, die der Fans und Spieler steht an oberster Stelle. Dies kann nur durch eine so drastische Entscheidung gewährleistet werden. Zudem verschafft dieser Beschluss den nationalen Ligen mehr Spielraum, die laufende Saison zu Ende zu spielen. Wie wichtig dies für die Bundesliga, andere nationale Ligen und deren Vereine ist, muss nicht betont werden. Einnahmen aus TV- und Medien-Geldern, sowie aus Sponsoringverträgen sind existentiell für die Klubs. Dennoch bleibt es abzuwarten, inwiefern sich die Infektionslage in den nächsten Wochen entwickelt und, wann wieder Fußball gespielt werden kann. Mit oder ohne Zuschauer.
Welche Folgen hat diese Entscheidung für den Zeitplan für die kommenden Turniere?
Zum einen verschafft es den Nationalmannschaften mehr Zeit, sich auf die EM vorzubereiten. Verletzte Spieler haben mehr Zeit, um fit zu werden. Diese gewonnene Zeit bedeutet allerdings auch mehr Druck für die WM 2022. Auch andere Wettbewerbe wie die Frauen-EM, die Nations League oder die U21-EM müssen verschoben werden. Diese komplexe Situation hat weitreichende Folgen. Die Auswirkungen des Coronavirus können allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar bemessen werden. Weder finanziell, noch den Zeitplan betreffend. Klar ist, dass dieser Virus die gesamte Gesellschaft und nicht nur den Sport auf eine harte Probe stellt, die nur gemeinsam bewältigt werden kann.
Noch unklar ist, wie es mit den nationalen Ligen weitergeht. Werden die Saisonen fertig gespielt? Und wenn ja, wie?
Durch die Verschiebung der EM, gewinnen die Nationalen Ligen Zeit. Dies hatte ich bereits eingangs erwähnt. Die Finals der Europa League und Champions League könnten für Ende Juni terminiert werden. Rund um die Finals können die Relegationen der ersten und zweiten Liga gespielt werden. Hypothetisch gesehen können die nationalen Ligen die restlichen Spieltage in diesem Zeitraum über die Bühne bekommen. Bedeutet allerdings sehr viele englische Wochen. Es ist ein straffer Spielplan, aber machbar.
Eine Saison ohne Meister möchte ich mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausmalen.
Im Eishockey wurde die Saison bereits vorzeitig ohne Meister beendet. Wäre eine derartige Entscheidung auf für den Fußball denkbar?
So eine Entscheidung ist für mich schwer vorstellbar. Dies gab es in der Geschichte der Bundesliga noch nie. Ich weiß, dass sich die DFL und alle 36 Vereine der ersten und zweiten Bundesliga darauf verständigt haben, alles Mögliche zu leisten um diese Saison regulär zu Ende zu spielen. Das ist das Ziel aller. Eine Saison ohne Meister möchte ich mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausmalen.
Champions League und Europa League stehen auf hold. Im Raum steht bereits ein Final-Turnier. Was halten Sie davon?
Diese Variante wäre völlig neu für den Fußball. Denkbar ist ein solches Szenario. Sowohl in der Champions League, als auch in der Europa League könnten die Halbfinals und das Finale in wenigen Tagen und an einem Ort durchgeführt werden. Auch diese Maßnahme würde den nationalen Ligen Zeit verschaffen, da die englischen Wochen mit den Halbfinalspielen entfallen würden. Vorrausetzung für diesen Modus ist die Durchführung der restlichen Achtel- und Viertelfinalspiele.
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen sind für den Sport bzw. speziell für den Fußball zu erwarten? Können alle Vereine derartige Verluste verkraften?
Nicht nur für den Fußball hat die aktuelle Situation weitrechende wirtschaftliche Auswirkungen, sondern für die gesamte Ökonomie. Große Automobilhersteller stellen europaweit die Produktion ein. der Tourismus kommt zum Stillstand, um nur zwei Beispiele zu nennen. Alle Bundesligisten arbeiten mit Hochdruck daran, unterschiedlichste Szenarien aufzustellen. Das Kerngeschäft der Vereine, die zugleich Wirtschaftsunternehmen sind, ist nun mal der Fußball. Sollte der schlechteste Fall eintreten und die Saison in der Bundesliga und in der zweiten Bundesliga vorzeitig abgebrochen werden, wird es für viele Vereine eng werden. Es heißt jetzt in dieser Zeit Solidarität zu zeigen, um gemeinsam diese schwierige Situation zu meistern.
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