Die Qualifikation zur EURO 2020 geht in die finale Phase! bet-at-home.com Experte Olaf Thon analysiert im ausführlichen Interview die Ausgangslage sowie die bisherigen Leistungen der Mannschaften. Zudem spricht die Schalke-Legende über das DFB-Team, den Quali-Modus sowie seine Favoriten auf den EM-Titel.
Herr Thon, in der Qualifikation für die EURO 2020 stehen nur noch zwei Runden auf dem Programm. Welche Partien sollte man auf keinen Fall verpassen?
Vor den letzten beiden Spieltagen ist noch reichlich Spannung in den einzelnen Gruppen geboten. Bisher konnte sich ein Sextett vorzeitig für die EM qualifizieren. Darunter die Spanier, Belgier und die Italiener. Am vorletzten Spieltag gilt es vor allem die Partien Tschechien – Kosovo (Gruppe A), Niederlande – Nordirland (Gruppe C), Kroatien – Slowakei (Gruppe E), Türkei – Island (Gruppe H) und natürlich das Spiel unserer Mannschaft gegen Weißrussland zu verfolgen.
In den genannten Spielen geht es um die ersten Plätze in der jeweiligen Gruppe, die eine EM-Qualifikation ermöglichen. Ein Ausblick auf die letzte Runde fällt schwer, da sehr viel von den Ergebnissen des 9. Spieltags abhängt. Dennoch möchte ich an dieser Stelle die Begegnungen zwischen Rumänien und Schweden und vor allem Deutschland gegen Nordirland nennen.
Welche Nationen haben bislang den besten Eindruck hinterlassen und von welchen Teams sind Sie enttäuscht?
Natürlich hinterlassen Mannschaften, die sich frühzeitig qualifizieren immer einen guten Eindruck. Spanien, Italien und auch Belgien haben die Pflichtaufgabe souverän gemeistert und sind zurecht bei der EM dabei. Deutlich überraschender ist die frühe Qualifikation der Ukrainer, die sich unter anderem in ihrer Gruppe gegen den amtierenden Europameister Portugal durchgesetzt haben. Eine Überraschung ist sicherlich auch die gute Ausgangslage der Türkei vor den letzten beiden Spieltagen. Mit Frankreich und Island hatten die Türken keine einfachen Gegner.
Für keine große Nation ist das Erreichen der EM unmöglich. Daher kann Stand heute noch nicht von Enttäuschungen gesprochen werden. Allerdings hinken Länder wie Portugal und die Schweiz sicherlich den Ansprüchen etwas hinterher.
Nach der letzten WM mache ich hinter Deutschland noch ein Fragezeichen. Es gilt die junge Mannschaft in Richtung WM 2022 aufzubauen und zu festigen. Die EM im nächsten Jahr könnte ein wenig zu früh kommen, um eine Top-Platzierung zu erspielen.
Titelverteidiger Portugal und weitere namhafte Nationen müssen noch um ihren Platz bei der Endrunde kämpfen. Wer löst das EM-Ticket auf den letzten Drücker?
Neben dem oben angesprochenen Sextett werden sich in meinen Augen die weiteren Top-Nationen für die EM qualifizieren. Darunter England, Deutschland, Niederlande, Kroatien und auch Frankreich.
Wie beurteilen Sie die Ausgangslage in der Deutschland-Gruppe? Qualifizieren sich die Löw-Truppe und die Elftal oder gelingt den Nordiren die Sensation?
Die deutsche Gruppe ist wie zu erwarten eng. Dennoch haben Deutschland und die Niederlande die besten Karten für eine Qualifikation. Nordirland konnte bisher weder gegen Deutschland noch gegen die Niederlande punkten.
Ich gehe stark davon aus, dass Deutschland das nächste Spiel gegen Weißrussland gewinnen wird. Somit steht die Löw-Truppe vor dem abschließenden Spieltag mit 18 Punkte da und hat es in der eigenen Hand, sich zu qualifizieren. Ob der Gruppensieg möglich ist, hängt vom Ergebnis zwischen den Niederlanden und Nordirland ab. Sofern die Holländer einen Sieg einfahren, wird es keine Überraschung geben. Dann werden die Niederlande die Gruppe wegen des direkten Vergleichs auf Platz 1 und Deutschland auf Platz 2 beenden. Im Gegenzug ist eine Sensation der Nordiren nur möglich, wenn das Spiel gegen die Niederlande gewonnen wird.
Die DFB-Elf im Detail: Welche Spieler stachen aus Ihrer Sicht positiv heraus und bei wem sehen Sie noch Luft nach oben? Und was ist Ihre Meinung zur Tormann-Debatte?
Der Umbruch der deutschen Mannschaft ist nach wie vor im vollen Gang und noch lange nicht abgeschlossen. Dies merkt man auch in der nicht vorhandenen Konstanz der Leistungen. Es gab sehr viel Licht, aber auch Schatten in der bisherigen Qualifikation. In den letzten Partien war Serge Gnabry der Garant für den Erfolg. Seine Schnelligkeit und Abschlussstärke helfen der Löw-Truppe enorm. Im Gegenzug sehe ich gerade bei Spielern wie Reus und Werner noch Luft nach oben. Zuletzt kamen verletzungsbedingt sehr viele junge Spieler zum Einsatz. Den besten Eindruck hat für mich Kai Havertz hinterlassen. Aber auch Spieler wie Amiri und Serdar haben eine Zukunft in der Nationalelf.
Zweifelsohne haben wir zwei sehr gute Torhüter mit Neuer und ter Stegen. Und beide erheben zurecht den Anspruch die Nummer 1 zu sein. Der Konkurrenzkampf tut dem Team gut. Für die nächste EM sehe ich allerdings Neuer im Tor. In der Zeit danach sollte ter Stegen bereitstehen und das deutsche Tor hüten, bevor Alexander Nübel zur Mannschaft dazu stößt.
Nach der Qualifikation werden vier EM-Teilnehmer noch nicht feststehen. Was halten Sie vom neuen Modus mit den Play-off-Spielen?
In meinen Augen ist der Modus mehr als kompliziert und undurchsichtig. 20 Teams werden über die EM-Qualifikation ermittelt. Die letzten vier Startplätze werden in vier Gruppen mit je vier Teams über die Nations League auserkoren. Die Zusammensetzung dieser 16 Mannschaften ist allerdings von sehr vielen Faktoren abhängig, und ist in meinen Augen schwierig nachzuvollziehen. Dies ist sicherlich ein Grund, der gegen diesen Modus spricht.
Dafür spricht, dass es eine weitere Möglichkeit für kleinere Nationen gibt, sich für die EM zu qualifizieren. In der regulären EM-Quali ist die Konkurrenz zu stark und diese Teams belegen in der Regel die hinteren Plätze in den Gruppentabellen.
Wagen wir abschließend einen Blick in die Zukunft: Welche Teams sind für Sie die Top-Favoriten auf den EM-Titel 2020?
Gut acht Monate vor Turnierbeginn ist es schwierig an dieser Stelle Teams zu nennen. Wie vor jedem Turnier hängt sehr viel vom aktuellen Kader und der Form der einzelnen Spieler ab. Nichts desto trotz werden auch bei der EM 2020 die üblichen Verdächtigen um den Titel spielen. Hierzu zähle ich Spanien, Niederlande, England und auch Frankreich. Mein aktueller Topfavorit ist allerdings Belgien.
Nach der letzten WM mache ich hinter Deutschland noch ein Fragezeichen. Es gilt die junge Mannschaft in Richtung WM 2022 aufzubauen und zu festigen. Die EM im nächsten Jahr könnte ein wenig zu früh kommen, um eine Top-Platzierung zu erspielen.
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